Die Zunft zu Rebmessern gibt jedes Jahr einen Reinacher Kalender in limitierter Auflage heraus.
Auf jedem Monatsblatt dominiert eine historische Aufnahme von Reinach. Im Vergleich dazu kommt
ein heutiges Bild aus dem gleichen Blickwinkel. Die Gegenüberstellung der zwei Bilder dokumentiert
die enorme Entwicklung von Reinach.
Falls Sie Fotos aus dem «alten» Reinach haben, melden Sie sich doch bitte bei der
Stiftung Ernst Feigenwinter.
Bevor wir uns einzelnen Monatsbildern des Reinacher Kalenders zuwenden, verschaffen wir uns einen Überblick über
den Reinacher Bann: Etwa 4,4 Kilometer misst seine Länge von Norden bis Süden, seine Breite vom Erlenhofgebiet
im Westen bis zur Birs im Osten fast 3,2 Kilometer – und zwischen den Tram-Haltestellen Reinacherhof und Reinach-
Süd (vormals Neuhof) ein eigentliches Häusermeer, heute Wohnort für etwa 20’000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Das Titelbild aus dem Jahr 1964 – ein Übergangsbild zwischen dem alten, in sich geschlossenen Dorf und einer noch
lückigen Agglomerations-Überbauung – mit einer «Landepiste», der Baselstrasse, für den von Jahr zu Jahr intensiveren
Autoverkehr.
Der Reinacher Kalender steht mit der Ausgabe 2025 in seinem achtnundzwanzigsten «Lebensjahr». Seit 1998
erinnert er Jahr für Jahr mit Fotografien von anno dazumal an die «gute, alte Zeit» und findet immer wieder seine
Liebhaber. Was macht denn die Faszination alter Fotografien aus? Sie führen uns vom oft bedrängenden und
hektischen Alltag in eine Welt zurück, wo es – so glauben wir mindestens – ruhiger, vor allem aber anders zu- und
herging und lassen damit unsere Gegenwarts- und Zukunftssorgen für eine kurze Zeitspanne vergessen. Wir tauchen
in die sogenannte «heile Welt von gestern» ein. In diesem Sinn zeigt uns das März-Bild 2018 eine für das Reinacher
Bauerndorf gültige Alltagsszene: Wir befinden uns im Lochacker, in der weiteren Umgebung des Restaurants Landhof
– auffällig die Fahrleitungsmasten des Trams, auffällig aber vor allem die weite Ackerflur, wo ein jugendlicher
Reinacher Bauer mit einem kräftigen Pferdegespann seine Furchen zieht. Aus heutiger Sicht so etwas wie eine Idylle,
damals aber harte existenzsichernde Arbeit.
Wir haben unsere zwanzig Kalender-Ausgaben der Jahre 1998 bis 2017 noch einmal Revue passieren lassen. Dabei
ist uns aufgefallen, dass Reinachs Ortszentrum sehr viel häufiger zum Zuge gekommen ist als seine Peripherie.
Das ist ja an sich durchaus erklärbar, hat doch das eigentliche Dorf mit seinen Einwohnern damals vom Fotografen
weit mehr Beachtung gefunden als die etwas abseitigen und daher eher stiefmütterlich behandelten Randgebiete.
Mit der Ausgabe 2018 des Reinacher Kalenders versuchen wir, so weit möglich, eine «Wiedergutmachungs-Offensive
zu starten, und da können wir gleich mit einem ganz besonderen «Outlook» beginnen. Wir stellen Ihnen nämlich die
Frage: Sie haben doch schon von den amerikanischen Siedlungen «New Glarus» oder «New Appenzell» gehört, was
wissen Sie aber über «Neu Reinach»? Ja, das gab es einmal (August-Bild von 1907) und gibt es heute noch. Seine
Bewohner, diese «Neu-Reinacher», lebten zwar nicht im fernen Amerika, jedoch fern vom Reinacher Dorfzentrum,
nahe bei der Birs am Bruggrain. Sie kauften daher in Dornachbrugg und Neu-Arlesheim ein, sie benutzten eher die
Birseckbahn (BEB) als den 11er, und auch der SBB-Bahnhof Dornach-Arlesheim war in ihrer Reichweite. Vor allem
aber die Post wurde ihnen entsprechend ihrer Adresse (Name, Strasse, Hausnummer, Neu-Reinach, Post Dornach)
von Dornach und nicht von Reinach aus ins Haus geliefert, ein Zustand, der auch nach der Einführung der Postleit-
zahlen im Jahr 1964 noch lange anhielt. Die beiden Luftaufnahmen (Titel- und September- Bild) bestätigen:
Reinach war nicht immer ein Häusermeer, bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts galt es noch als «normale»
Ortschaft inmitten von weiten Fluren, Feldern und Äckern. Die vielen, beinahe willkürlich verstreuten und unbe-
bauten Flächen weisen das Dorf als Streusiedlung aus, ein Siedlungskonzept bestand nicht. So wurde auch das
Weiermatt-Schulhaus (Dezember-Bild) 1941 auf der grünen Wiese erstellt, in der offenen Landschaft oder anders
gesagt: an der Reinacher Peripherie! Ungewohntes Reinach begegnet uns schliesslich auf dem Mai-Bild von 1951,
es zeigt den noch nicht besiedelten Rebberg, und wer genau hinschaut, der entdeckt hoch oben, wie sich die
Auffahrtsprozession zum Volksmissionskreuz hinbewegt. Im Jahr 2018 ist Reinach fast zugebaut, es gibt nur noch
wenige «Grün-Oasen». Ist Reinach damit zur Ruhe gekommen? Weit gefehlt: Verdichtung ist angesagt und damit
verschwinden von einem Tag zum andern altgewohnte Häuser- und Strassenbilder. In diesem Sinn nehmen wir mit
dem Oktober-Bild Abschied von der Liegenschaft Brunngasse 4, vom heutigen «Freizythuus», dem Wirkungsort
unserer «Läbändige Wyber» und von «Kultur in Reinach» mit seiner «Galerie Werkstatt».
René Salathé