Reinacher Kalender: der Zunft zu Rebmessern Reinach

Die Zunft zu Rebmessern gibt jedes Jahr einen Reinacher Kalender in limitierter Auflage heraus.

Auf jedem Monatsblatt dominiert eine historische Aufnahme von Reinach. Dazu kommt ein heutiges Bild aus dem gleichen Blickwinkel. Die Gegenüberstellung der zwei Bilder dokumentiert die enorme Entwicklung von Reinach.

 

Falls Sie Fotos aus dem „alten“ Reinach haben, melden Sie sich doch bitte im Heimatmuseum Reinach BL.

Reinach im Spannungsfeld von Vergangenheit und Gegenwart

 

Bevor wir uns einzelnen Monatsbildern des Reinacher Kalenders 2018

zuwenden, verschaffen wir uns einen Überblick über den Reinacher

Bann: Etwa 4.4 Kilometer misst seine Länge von Norden bis Süden,

seine Breite vom Erlenhofgebiet im Westen bis zur Birs im Osten fast 3.2

Kilometer – und zwischen den Tram- Haltestellen Reinacherhof und

Reinach-Süd (vormals Neuhof) ein eigentliches Häusermeer, heute

Wohnort für bald 20’000 Einwohnerinnen und Einwohner. Das Titelbild

aus dem Jahr 1964 – ein Übergangsbild zwischen dem alten, in sich

geschlossenen Dorf und einer noch lückigen AgglomerationsÜberbauung

– mit einer «Landepiste», der Baselstrasse, für den von

Jahr zu Jahr intensiveren Autoverkehr.

Der Reinacher Kalender steht mit dieser Ausgabe in seinem

einundzwanzigsten «Lebensjahr». Seit 1998 erinnert er Jahr für Jahr mit

Fotografien von anno dazumal an die «gute, alte Zeit» und findet immer

wieder seine Liebhaber. Was macht denn die Faszination alter

Fotografien aus? Sie führen uns vom oft bedrängenden und hektischen

Alltag in eine Welt zurück, wo es – so glauben wir mindestens – ruhiger,

vor allem aber anders zu- und herging und lassen damit unsere

Gegenwarts- und Zukunftssorgen für eine kurze Zeitspanne vergessen.

Wir tauchen in die sogenannte «heile Welt von gestern» ein.

In diesem Sinn zeigt uns das März-Bild eine für das Reinacher

Bauerndorf gültige Alltagsszene: Wir befinden uns im Lochacker, in der

weiteren Umgebung des Restaurants Landhof – auffällig die

Fahrleitungsmasten des Trams, auffällig aber vor allem die weite

Ackerflur, wo ein jugendlicher Reinacher Bauer mit einem kräftigen

Pferdegespann seine Furchen zieht. Aus heutiger Sicht so etwas wie

eine Idylle, damals aber harte existenzsichernde Arbeit.

Wir haben unsere zwanzig Kalender-Ausgaben der Jahre 1998 bis 2017

noch einmal Revue passieren lassen. Dabei ist uns aufgefallen, dass

Reinachs Ortszentrum sehr viel häufiger zum Zuge gekommen ist als

seine Peripherie. Das ist ja an sich durchaus erklärbar, hat doch das

eigentliche Dorf mit seinen Einwohnern damals vom Fotografen weit

mehr Beachtung gefunden als die etwas abseitigen und daher eher

stiefmütterlich behandelten Randgebiete. Mit der neuesten Ausgabe des

Reinacher Kalenders versuchen wir, so weit möglich, eine «Wiedergutmachungs-

Offensive zu starten, und da können wir gleich mit einem

ganz besonderen «Outlook» beginnen. Wir stellen Ihnen nämlich die

Frage: Sie haben doch schon von den amerikanischen Siedlungen «New

Glarus» oder «New Appenzell» gehört, was wissen Sie aber über «Neu

Reinach»? Ja, das gab es einmal (August-Bild von 1907) und gibt es

heute noch.

Seine Bewohner, diese «Neu-Reinacher», lebten zwar nicht im fernen

Amerika, jedoch fern vom Reinacher Dorfzentrum, nahe bei der Birs am

Bruggrain. Sie kauften daher in Dornachbrugg und Neu-Arlesheim ein,

sie benutzten eher die Birseckbahn (BEB) als den 11er, und auch der

SBB-Bahnhof Dornach-Arlesheim war in ihrer Reichweite. Vor allem

aber die Post wurde ihnen entsprechend ihrer Adresse (Name, Strasse/

Hausnummer, Neu-Reinach, Post Dornach) von Dornach und nicht von

Reinach aus ins Haus geliefert, ein Zustand, der auch nach der

Einführung der Postleitzahlen im Jahr 1964 noch lange anhielt.

Die beiden Luftaufnahmen (Titel- und September- Bild) bestätigen:

Reinach war nicht immer ein Häusermeer, bis in die Mitte des letzten

Jahrhunderts galt es noch als «normale» Ortschaft inmitten von weiten

Fluren, Feldern und Äckern. Die vielen, beinahe willkürlich verstreuten

und unbebauten Flächen weisen das Dorf als Streusiedlung aus, ein

Siedlungskonzept bestand nicht. So wurde auch das Weiermatt-

Schulhaus (Dezember-Bild) 1941 auf der grünen Wiese erstellt, in der

offenen Landschaft oder anders gesagt: an der Reinacher Peripherie!

Ungewohntes Reinach begegnet uns schliesslich auf dem Mai-Bild von

1951, es zeigt den noch nicht besiedelten Rebberg, und wer genau

hinschaut, der entdeckt hoch oben, wie sich die Auffahrtsprozession

zum Volksmissionskreuz hinbewegt.

Im Jahr 2018 ist Reinach fast zugebaut, es gibt nur noch wenige «Grün-

Oasen». Ist Reinach damit zur Ruhe gekommen? Weit gefehlt:

Verdichtung ist angesagt und damit verschwinden von einem Tag zum

andern altgewohnte Häuser- und Strassenbilder. In diesem Sinn nehmen

wir mit dem Oktober-Bild Abschied von der Liegenschaft Brunngasse 4,

vom heutigen «Freizythuus», dem Wirkungsort unserer «Läbändige

Wyber» und von «Kultur in Reinach» mit seiner «Galerie Werkstatt».

René Salathé